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Es werden Posts vom Mai, 2017 angezeigt.

"Wahrscheinlich Alkoholiker"

Ich weiß, es klingt komisch - aber Alkoholprobleme brauchen mehr Sexappeal. "Also, wenn man nach diesen ganzen Richtlinien geht, bin ich wahrscheinlich auch Alkoholiker" - "Technisch gesehen bin ich bestimmt auch Alkoholikerin" - diese oder ähnliche Sätze habe ich gefühlt schon tausendmal gehört. Oder, von den ganz selbstkritischen: "Ich bin auch Alkoholikerin." Vorgetragen werden sie eigentlich immer auf die gleiche Weise: Der- oder diejenige, die den Satz sagt schaut dabei angestrengt ernst, damit das ob diesem Thema gebotene notwendige Maß an Selbstreflexion auch nicht übersehen werden kann. Fast unmerklich wird das "auch", dass bei diesem Satz wirklich nie vergessen wird, allerdings etwas deutlicher ausgesprochen, die Stimme geht ein wenig hoch, und dieses kleine Detail ist eigentlich das Wichtigste dabei, denn es bedeutet zum einen, dass man sich zu einer großen Gruppe zugehörig fühlt, einer Gruppe von Leuten, die eigentlich ganz cool si

50 Tage

Heute sind es 50 Tage, in denen ich keinen Alkohol getrunken habe. Sieben Wochen also, das ist ein bisschen länger als die Fastenzeit, die zumindest viele Kölner traditionell zur Entgiftung nach dem Karnevalsexzess nutzen. 50 Tage - ist das jetzt wirklich so ein großes Ding? Ja und nein. Ja, denn es geht mir zunächst einmal vor allem körperlich ein ganzes Eckchen besser. In meinem speziellen Fall heißt nicht mehr trinken nämlich außerdem auch nicht mehr rauchen, denn ich war Hardcore-Alko-Raucherin: Ich rauchte eigentlich nur zum Glas, ohne schmeckt es mir irgendwie nicht. (Nicht mehr, denn ich habe locker zehn Jahre ganz regulär geraucht, so 15 bis 20 Zigaretten am Tag; aber dann kam Sport und das ging irgendwie nicht zusammen - und außerdem durfte man irgendwann auch nirgends mehr rauchen.) Aber dann richtig. Nicht ein, zwei geschnorrte - an Partyabenden (das konnte im Zweifelsfall aber auch ein Abend am Telefon sein) war es dann schnell eine ganze Packung. Plus geschwänztes Abe

Das böse A-Wort: Bin ich Alkoholiker?

Es ist so eine Sache mit dem Alkohol: Wer entscheidet eigentlich genau, wie viel zu viel ist? Es gibt ja so viele mögliche Definitionen von "zu viel": Relativ gängig ist kritisches Augenbrauenhochziehen, wenn jemand täglich trinkt. Dann gibt es wiederum irgendeine Richtlinie (ich glaube, die WHO hat sich das ausgedacht), die festlegt, wie viel Alkohol noch gesundheitlich im Rahmen ist, die interessanterweise genau die tägliche (!) empfohlene Menge angibt (ein halbes Glas Wein oder ein kleines Bier für eine erwachsene Frau ist das, glaube ich; für Männer etwas mehr). Dann kann man sich fragen, ob man sich regelmäßig betrinkt, ob man betrunken peinliche Sachen macht, Filmrisse hat, sein Leben nicht mehr auf die Reihe bekommt, oder, oder, oder. Das Ding mit diesen zahlreichen Alkoholismus-Definitionen ist aber: Jeder findet eine, die ihn nicht betrifft. Dann kann man sich erleichtert auf die Schulter klopfen, "Puh, nochmal gut gegangen!" den

Trinkt aus, wir reden

Es ist das Jahr 2017, ich bin eine vor einiger Zeit 32 Jahre alt gewordene Frau und vor genau 47 Tagen habe ich das Weinglas weggestellt. Okay, so viel zur Titelanalyse. Auf geht's zur nächsten Ebene: Es ist das Jahr 2017, und, Überraschung, es hat so seine Tücken, 32 und weiblich zu sein. Es hat vielleicht auch einfach so seine Tücken, ich zu sein. Aber mehr dazu später. In dieser Gesellschaft, in der wir hier so fröhlich vor uns hin leben, gibt es ein paar Dinge, die man ganz grundsätzlich einfach nicht bringen kann: Gewalt. (Man schlägt keine Leute.) Arbeitslos werden. (Faul! Gesellschaftlicher Beitrag! Krieg das auf die Reihe!) Keinen Alkohol trinken. (Warum? Bist Du schwanger? Gibt es einen Grund? Bitte rechtfertige Dich!) Ein Alkoholproblem haben. (Ohne Worte. Hast Du nicht. Bist Du nicht.) Wer ein Problem mit dem Trinken hat, hat sich nicht im Griff, da sind sich alle einig. Kontrollverlust, Willensschwäche, überhaupt sind Alkoholprobleme etwas für Ver