Über Partys und Abenteuer

Wie vermutlich ungefähr alle Menschen, die sich in den "normalen" Sphären unserer westlichen Feierkultur bewegen, waren Partys für mich immer ein Dealbreaker zuungunsten der Nüchternheit.
Wobei, vielleicht sprechen wir lieber von "ausgehen", denn eine große Partymaus bin ich eigentlich noch nie gewesen. Stattdessen bin ich schon immer gern auf Konzerte gegangen - mit Bier. Und ich liebe gute Bars. Ach, Bars...
Aber zunächst einmal zurück zu den Partys, jenen Gelegenheiten, wo wir Freunde treffen und neue Bekanntschaften machen. Von denen manchmal ein bisschen Glamour ausgeht und von denen ich in der Vergangenheit eigentlich jedes einzelne Mal, zumindest klammheimlich irgendwo tief in mir drin, gehofft habe, es möge einer jemer legendären Abende werden, die für immer einen bleibenden Platz im Logbuch meines Lebens haben. Legendär war meist leider nur mein Kater.

Es gibt eine Folge von "Friends", in der ein alter Freund von Chandler und Ross in die Stadt kommt - sie nennen ihn Gandalf, denn dieser Freund hat die Fähigkeit, von einer Minute auf die andere unglaubliche Dinge passieren zu lassen. Chandler und Ross schwärmen von diesem Freund wie von einer Jugendliebe und packen Socken, Zahnbürsten und frische Unterhosen in ihre Ausgehjacken, um auf alles vorbereitet zu sein. Ihr Mitbewohner Joey schaut dem verrückten Treiben der beiden etwas genervt zu; er kennt Gandalf nicht und kann nicht so recht verstehen, was die Aufregung soll.
Ich kann die Aufregung gut verstehen; Bier und Gin Tonic waren mein Gandalf. Sie bargen die Möglichkeit, dass vielleicht, ganz vielleicht doch noch etwas außergewöhnliches, spannendes, ein Abenteuer passieren könnte. Und manchmal geschah das ja auch: Ich habe Gespräche geführt, die sonst vielleicht nicht stattgefunden hätten, Menschen kennengelernt, die ich als uninteressant abgetan hatte und Männer geküsst, die von mir besser ungeküsst geblieben wären. Ich habe Bahnfahrten doppelt bezahlt und andere gar nicht, Schlüssel verloren und zahlose Dummheiten gemacht, kleine und große. Aber ich war eben auch ein paar Bier mutig, als ich den wichtigsten Mann meines Lebens geküsst habe. Ich bin nicht ganz bereit, das auf die Habenseite des Alkohols zu schreiben - aber der hat die Sache eben doch leichter gemacht, so viel Ehrlichkeit muss sein.

Und jetzt? Viele, die mit dem Trinken aufhören, verzichten (zumindest erst einmal) auch darauf auszugehen. Ich kann das gut nachvollziehen und habe das ganz kurz auch erwogen: Einige Konzerte standen an, eine große Hochzeitsparty. Vielleicht wäre das zu anstrengend, zu viel Erklärung, zu viel Versuchung. Doch ich entschied mich, hinzugehen - denn ich hatte mich auf all diese Abende gefreut, und sah es einfach nicht ein, sie mir von Alkohol ruinieren zu lassen, während ich noch nicht einmal dabei war und trank.
Für mich war das die richtige Entscheidung: Ich hatte bei all diesen Gelegenheiten eine gute Zeit und ich stellte etwas Wichtiges fest: Es fällt mir gar nicht besonders schwer, einen Abend ohne Alkohol zu verbringen, an dem die anderen um mich herum trinken. Ich tanze auch nüchtern gern (ja, wirklich!) und ich bin durchaus selbstbewusst genug, mich auch so zu unterhalten. Diese Abende sind jetzt anders: Das Tanzen fühlt sich anders an, ich werde schneller müde als früher, dafür höre ich bei Gesprächen aufmerksamer zu und am nächsten Tag kann ich mich an das Gesagte noch erinnern.
An all das muss ich mich noch ein bisschen gewöhnen. Aber es fühlt sich gut an. Und sehr abenteuerlich. Seit 75 Tagen.

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