7 mehr oder weniger elegante Möglichkeiten, "Nein, danke" zu sagen

Es kommt der Tag, wahrscheinlich eher früher als später, an dem Du in einer Situation bist, in der Du mit anderen zusammen bist, die etwas trinken. Alkohol ist komplett sozialisiert, viel besser als Cola oder Mineralwasser, und daher nennt man solche Situationen heute neudeutsch "social life". Wahrscheinlich werden Menschen Dir Alkohol anbieten. Oder Dich fragen, was Du trinkst, und spätestens beim zweiten "Wasser" die Augenbrauen hochziehen.

Leider ist es mit einem schlichten "Nein, danke" sehr oft eben nicht getan, sondern es besteht ein gewisser, nun ja, Erklärungsbedarf. Das ist absurd, schließlich wird auch niemand, der eine Zigarette mit "Nein danke, ich rauche nicht" ablehnt, dazu genauer interviewt. Tatsächlich ist es genau dieser Moment, vor dem sehr viele Menschen, die problematisch trinken, so viel Angst haben, dass sie erst gar nicht versuchen, aufzuhören. Was also kannst Du tun oder sagen, um diese Klippe zu umschiffen? Ich habe inzwischen ein paar Varianten getestet.


Die Notlüge
Man muss in Zeiten der nachhaltigen Ernüchterung nicht auch noch die Wahrheit zum Kantschen Prinzip hochstilisieren. Ganz ehrlich, vermutlich sagst Du nicht einmal Deiner besten Freundin oder Deinem Partner immer GANZ ehrlich, wie Du Ihre neue Frisur oder sein selbstgekochtes Essen findest. Gerade wenn Du erst vor kurzem mit dem Trinken aufgehört hast, wird es Dir wahrscheinlich wie mir gehen: Alles fühlt sich ein bisschen komisch an und Du bist noch nicht ganz sicher, ob der Schuh passt. Wenn Du diese Entscheidung nicht grundsätzlich bei einer Party, einem Kneipenabend oder wo auch immer Du gerade bist ausdiskutieren möchtest, dann mach es wie jeder Politiker: Schwindel einfach ein bisschen. Hier ein paar Beispiele, die super funktionieren:  
"Ich muss noch fahren." 
"Ich habe morgen früh einen Arzttermin." 
"Ich muss früh raus." 
"Bin auf Antibiotika." 
"Verträgt sich nicht mit meinem Heuschnupfenmedikament."
Naja, und endlich so weiter. Oh, und manche Sachen funktionieren auch nicht so gut: Wenn Du mit dem Abnehmargument kommst, wird garantiert jemandem einfallen, das Wodka Soda total kalorienarm ist.  

Understatement
Ich bin mit "Ich trinke gerade nichts, ich hatte genug in letzter Zeit" bisher eigentlich ganz gut gefahren. (Wobei ich hinzufügen möchte, dass ich diese Variante eher so im erweiterten Freundeskreis einsetze und vielleicht nicht unbedingt bei Arbeitskollegen oder völlig Fremden - aber das ist auch ein bisschen Geschmackssache.) Der ein oder andere wird einwenden, dass das natürlich überhaupt nicht stimmt, aber danach bekomme ich zumindest keine weiteren Drinks angeboten. Und für den Moment reicht die Info ja auch.

Freundliches Schweigen
Sag einfach nichts dazu und lächel nett. Funktioniert erstaunlich gut. Keine Ahnung, wie viele Leute inzwischen denken, dass ich schwanger sei (ein Nachteil am Frausein), aber was soll's.  

Rede über etwas
... anderes. Wechsel einfach das Thema und bestell eine kleine Cola. Klappt auch super.

Die halbe Wahrheit 
Max Frisch hat es mal ganz gut auf den Punkt gebracht: "Man sollte dem Anderen die Wahrheit hinhalten, wie einen Mantel, dass er hineinschlüpfen kann, und sie ihm nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren schlagen." Das ist vor allem deshalb in diesem Zusammenhang passend, weil die Leute, die am meisten nachfragen werden, aller Wahrscheinlichkeit genau die sind, die andere zum mittrinken brauchen - weil sie sich vielleicht selbst so ihre Gedanken machen und die, wie bei jedem Blödsinn, immer besser auszuhalten sind, wenn einer mitmacht. Ich weiß ziemlich genau, wovon ich da rede, denn ich war für gewöhnlich ganz weit vorne mit dabei, anderen sehr penetrant alkoholische Getränke anzubieten. Daher: Nimm das nicht persönlich, es hat genau gar nichts mit Dir zu tun. Du kannst einfach ein bisschen wage bleiben. Statt "Ich habe aufgehört zu trinken. Für immer!" oder ähnlichem kannst Du einfach so etwa sagen wie "Ich trinke im Moment nicht", "Ich faste diesen Monat Alkohol", "Ich detoxe gerade" oder einfach "Ich möchte heute nichts trinken." Davon ist nichts gelogen, aber Du musst vor niemandem einen Seelenstriptease hinlegen.  

Der Holzhammer
Es wird Leute geben, denen Du die Wahrheit sagen willst. Vielleicht nicht jetzt gleich, aber irgendwann später. Vielleicht weißt Du auch noch gar nicht so genau, was die Wahrheit ist, sondern bist noch damit beschäftigt, das herauszufinden. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Holzhammer kein Partybesteck ist. Gönn Dir und den Menschen, mit denen Du ernstahft über Alkohol reden willst, einen passenden Gesprächsrahmen. Es gibt ganz bestimmt Leute mit felsenfestem Standing und Mordsselbstbewusstsein, die auch beim Sommerfest ohne mit der Wimper zu zucken den oben zitierten nassen Lappen auspacken: "Nein, danke, ich bin Alkoholiker und trinke nicht." Finde ich super! Muss man aber eben auch können.  

Polnisch
Einfach gehen. Okay, klappt nicht so gut beim Abendessen zu viert oder dem Date mit der besten Freundin (oder Dates überhaupt!). Wobei, auch dann ist es völlig in Ordnung, zu gehen, wenn Du keine Lust mehr hast. Wenn Dich die Fragerei nervt, es Dich stört, dass alle anderen langsam beschwipst sind oder Dir einfach irgendein Pups quer sitzt: Geh einfach nach Hause.


Am Ende geht es nicht um die Gesellschaft, nicht um Etikette, nicht um Ehrlichkeit und schon gar nicht darum, es irgendwem recht zu machen. Es geht um Dich. Du muss Dich wohlfühlen in Deiner Haut. Niemand anders.
Ich selber habe wahnsinnig viel Zeit damit verbracht, mir Gedanken darüber zu machen, ob andere sich unwohl fühlen, wenn sie alleine trinken müssen, ob es jemanden stört, wenn ich nichts trinke. Und manchmal mache ich mir immer noch solche Gedanken: "Ich will nicht, das XY sich unwohl fühlt" sage ich manchmal und bitte den besten aller Freunde, deshalb mit dem Besuch anzustoßen. Das ist großer Quatsch und ich werde heute damit aufhören. Wenn der Besuch sich dann unwohl fühlt, kann er es ja einfach lassen. Was zählt, ist Deine Entscheidung, Deine Gesundheit und wie Du Dich fühlst.

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