Die Liste: 7 Neins und ein großes Ja

Endlich ist es so weit: Das Thermometer hat die 30-Grad-Marke geknackt, die Sonne scheint und die Abende sind lang. Allenthalben ist es jetzt Zeit für kühlen Weißwein, Aperol Spritz oder knackekaltes Bier. Allenthalben - bloß bei mir nicht.

Und da auch die besten Freunde nun einmal nicht perfekt sind, sehe ich mich in diesem Kontext immer mal wieder der "Warum denn nicht?"-Diskussion ausgesetzt. Einerseits habe ich oft das Gefühl, dass diese Diskussion dem jeweils anderen viel ärger zusetzt als mir selber. Andererseits gehört dazu, jedenfalls bei den engeren Freunden, irgendwann eben auch der Punkt, an dem ich mehr oder weniger deutlich betone, dass ich das Trinken nicht im Griff habe wenn ich trinke. Und also deshlab nicht trinke. Darauf antwortet mein Gegenüber, irgendwo zwischen peinlich berührt und dem Bestreben, mir gut zuzureden oder mich vor einer gefühlten Demütigung zu bewahren: "Aber Du bist doch kein Alkoholiker!" Now we're talking.
Ich also: "Genau das würde ich vielleicht anders sehen." Kurze Pause, leicht peinlicher Moment. Nein. Doch. Usw.
Wenn ich dann, gefragt, wie lange ich denn noch nicht trinken will, antworte "Keine Ahnung. Noch eine Weile. Vielleicht für immer", stellt sich Bestürzung ein. Ich bin ja ehrlich gesagt etwas unsicher, ob diese Bestürzung dann mir gilt oder einem kurzen selbstreflektiven Moment.

Jedenfalls ist es diese kurze Pause, in der ich mich auch selber frage, ob es für immer sein muss. Ob ich nicht doch noch ein bisschen Kleingeld in der Tasche habe oder ob nun tatsächlich die großen Scheine hermüssen. Oder mache ich gerade viel Lärm um, naja, nicht um nichts, aber um nicht so viel wie ich denke?
Irgendwo, ziemlich weit hinten in einer schlecht einsehbaren Ecke meines Kopfes, schrillt dann ein Alarmton - denn jetzt wird es wichtig. Diese Gespräche werde ich immer wieder führen. Und während es den anderen dabei tatsächlich weniger um mich als um ihre eigene Komfortzone beim kühlen Bierchen geht, steht für mich der wichtigste Einsatz auf dem Spiel, den ich habe: Ich selbst. ICH brauche dann Antworten. Für MICH. WARUM mache ich das? Es gibt einen Haufen gute Gründe. Und damit diese nicht irgendwo, vergessen und verstaubt in schlecht einsehbaren Ecken, verloren gehen, brauche ich ein Werkzeug: Eine Liste. Mit all diesen Gründen. Hier ist sie.

1. Ich will nie wieder von meinen Liebsten hören müssen, dass sie sich sorgen, weil ich zu viel trinke.
2. Ich will nie wieder diesen enttäuschten, besorgten Blick im Gesicht meines Liebsten sehen, weil ich am Abend zuvor wieder irgendeinen alkoholinduzierten emotionalen Ausfall hatte.
3. Ich will nie wieder betrunken die Kontrolle darüber verlieren, wie ich mit anderen Menschen umgehe.
4. Ich will nie wieder betrunken die Kontrolle darüber verlieren, wie ich mit mir selbst umgehe.
5. Ich will nicht eines Tages auf Familienfeiern die komische, betrunkene Tante sein.
6. Ich will keine kostbare Lebenszeit mehr mit Katern und Schuldgefühlen verschwenden.
7. Ich will meine Freizeit unabhängig von Kopfschmerzen und Übelkeit gestalten und mich nicht mehr darüber ärgern, dass ich Sachen nicht machen kann, weil ich getrunken habe.

Weil das eine Menge Verneinungen für ein einziges großes "Nein" sind und mir schon aus werbepsychologischen Kontexten vollkommen bewusst ist, dass das menschliche Gehirn solche geflissentlich ignoriert, kommt hier das eine große "Ja". Unabhängig davon, dass der Begriff der "best version of yourself" von diversen Fitnessvermarktern, Ratgebern und ("Frauen"-)Zeitschriften bis zur Unkenntlichkeit abgenutzt wurde, bringt es dieser eine Gedanke (für mich) auf den Punkt - und das hat viel mehr mit Zufriedenheit mit mir selbst und tiefer Liebe, zu mir und zu anderen, und ja, auch mit Spiritualität zu tun, als mit Leistungsgedanken, Optimierung und Gefallsucht. Es geht darum, weshalb ich hier bin. Das ist meine Antwort, mein Warum:

Ich will der beste Mensch sein, der ich sein kann.

Nicht mehr und nicht weniger.

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